Wenige andere Städten sind durchweg so fotogen wie diese kleine Stadt im Rif-Gebirge. Wir waren zwei Tage dort, um zu überprüfen, ob die blaue Stadt wirklich so blau ist. Und um im kalten Wasser der unglaublichen Akchour-Wasserfälle zu schwimmen.
Hinter Bab El Souq liegt sie, die einzigartige blaue Medina. Wir kommen am späten Nachmittag an und bewunderndas Sonnenlicht, das an die weissen Fassaden strahlt, unterbrochen von zig Blautönen und Schatten.
Und sofort wird uns klar: Wenn grelle Farben, die geschriene Litanei der Händler, Mofas, die mit Vollgas durch die enge Gassen fahren und ein Klangteppich aus tausend und einem Geräusch einfach zum marokkanischen Alltag gehören, ist Chefchaouen die Ausnahme. Die Stimmung ist entspannt, fast schon gemächlich.
Im Hintergrund erheben sich imposant die zwei Berge Djebel Kalaa und Djebel Meggou, die Chefchaouen den Namen geben: die Stadt der zwei Höcker. Auch von Marokkaner oft nur als Chaouen (spanisch: Xauen) bezeichnet, besitzt sie rund 50’000 Einwohner. Doch für Touristen ist sie vor allem die Stadt der blauen Farbe.
Die Sache mit dem Blau
Aber warum gerade diese Farbe? Das Blau schütze gegen den bösen Blick, erzählen viele. Eine andere Erklärung ist, dass im Judentum die Farbe Blau als Symbol für Gott und Himmel angesehen wurde und sie die vertriebenen Juden, die vor 500 Jahren aus Andalusien geflohen sind, eingeführt haben. Auch wurde uns gesagt, dass Blau vor Mücken schützt.
Die Wahrheit ist aber ein bisschen anders. Als vor etwa 25 Jahre in der Medina der Putz von den Fassaden bröckelte, hat eine Einwohnergruppe begonnen, sie im traditionellen Weiss neu zu färben. Als jemand für sein Hotel Blau wählte (war die weisse Farbe wohl aus?) und die Zustimmung der Touristen fand, hat sich die ganze Stadt langsam blau gefärbt. Also ein unbeabsichtigter, aber genialer Marketingtrick.
Bergauf und bergab
Als wir uns am nächsten Tag daran machen, die Umgebung zu erkunden, schlängeln wir in den kleinen Gassen an unzähligen pittoresken Häusern vorbei. Da Chefchaouen über Jahrhunderte als heilige Stadt galt, die Ausländern unter Androhung der Todesstrafe versperrt war, blieb ihre mittelalterliche Architektur erhalten. Der Hauptplatz Outa-el-Hammam ist das Herz der Medina. Dort beherrscht die Szene die grosse Moschee El Masjid El Aadam. Der Platz ist sehr lebendig, Restaurants und Cafés reihen sich aneinander.
Wir essen ein Tajine und beobachten wie Kindern mit Seifenblasen spielen, Männer im Schatten entspannt plaudern und die Touristen sich mit bunten Papageien fotografieren lassen. Danach besuchen wir die im 17. Jahrhundert erbaute Kasbah und deren herrlichen andalusisch-arabischen Gärten. Hier wurde der Kabyle Abd el-Krim von 1916 und 1917 von den spanischen Truppen inhaftiert als Chafchaouen unter dem spanischen Protektorat war. Abd el-Krim wurde damals als Held gefeiert, weil er mehrere Aufstände der Ryfkabylen gegen spanische und französische Kolonialtruppen in der Region organisierte. 1926 wurde Abd el-Krim zur französischen Insel Réunion deportiert – er starb 1963 in Kairo. Spanien gab Chefchaouen nach der Unabhängigkeit Marokkos 1956 wieder zurück.
Kaffee am Wasserfall
Anschliessen, mischen wir uns unter die Menschenmenge und spazieren zu meinem Lieblingsort, östlich der Medina: die Ras el-Maa Quelle. Dieser sprudelnde kleine Wasserfall liegt gleich hinter dem nordöstlichen Altstadttor. Hier treffen sich einheimische Frauen noch heute, um Wäsche, Decken und Tapeten im Bergwasser zu waschen. Die frische Luft und das Wasser ziehen aber auch die anderen Einwohner an. Exotische Tiere (Pfauen, aber auch Lamas) sorgen für Unterhaltung, Strassencafés sorgen für Minzetee und Café Nousnous (marokkanischer Milchkaffee).
Von hier aus sieht man die weisse Spanische Moschee, die auf einem Berg hervorragt. Der ungefähr 20-minütige Fussmarsch hinauf lohnt sich, denn von dort haben wir einen tollen Blick auf Chefchaouen.
Vom Blau ins Grüne…
Am nächsten Tag steht der Nationalpark Talassemtane auf dem Programm. Die Fahrt zum kleinen Dorf Akchour dauert etwa eine Stunde und führtteilweise über Schotterstrassen. Taxis fahren auch dort hin. Die Strecke führt durch unberührte, grüne Natur aus zedernbedeckten Hügeln und Bergspitzen.
Vom Parkplatz wandern wir an ein paar Häusern vorbei bis zur grossen Brücke und überqueren den Bach auf die nördliche Talseite. Wer zu den Wasserfällen von Akchour will, muss den Weg links am Staudamm nehmen.
Unser Ziel sind die kleinen Wasserfälle, denn wir sind mit Kind unterwegs und das soll eine einfache Wanderung sein (zum grossen Wasserfall muss man 1,5 Stunden steiler Aufstieg zusätzlich einrechnen). Wir erreichen nach ein bisschen mehr als 1 Stunde Wanderung die kleinen Wasserfälle über einen schönen Wanderweg in einer tiefen Schlucht. Die schattigen und urigen Wälder laden zum Verweilen ein und gerade an heissen Sommertagen ist einen Sprung ins kalte Wasser sehr empfehlenswert.
Auf dem Weg finden sich immer wieder kleine Garküchen mit Tee und Tajine, die frisch aus Landesprodukten zubereitet sind. Nach einer simplen, doch leckeren Mahlzeit (Tajine und Salat) und einem Zwischenhalt zum Schwimmen, kehren wir denselben Weg zurück.
Da wir für marokkanische Verhältnis ziemlich früh unterwegs waren, haben wir dementsprechend wenig Leute getroffen. Aber anscheinend ist Akchour ein beliebter Ausflugsort für Marokkaner sowie Touristen. Vorgewarnt ist gewappnet!
Dinge, die du unbedingt in Chefchaouen kaufen solltest
- Geisskäse, Berghonig, Olivenöl, Oliven aus Beni Derkour, getrocknete Feigen
- Rif-Teppiche
- Blau-, weiss- und rot-gestreifte
Rif-Decken - Sebsi, die Kif-Pfeife
Wow, da will ich unbedingt hin! Wie komme ich von Casablanca hin?
Hallo Rosa, es lohnt sich wirklich! Die beste Verbindung ohne Auto von Casablanca nach Chefchaouen ist per Zug und Bus und Taxi, dauert 5Std. 1Min. und kostet SFr 80 – SFr 130.