Der Hammam ist ein fester Bestandteil der marokkanischen Kultur. Europäer werden mit einem Besuch im öffentlichen Badehaus aber wahrscheinlich aus ihrer Komfortzone gelockt. Wir sagen dir, wie es geht.
Hammam ist nicht gleich Hammam. Besonders Marokko unterscheidet zwischen den edlen türkischen Hammams und den Nachbarschaftshammams. Letztere sind in Marokko eine Institution, ein Wochenritual, gleich dem Couscous am Freitagmittag. Die Badehäuser befinden sich meistens in der Nähe einer Moschee und sind streng nach Geschlechtern getrennt. Es gibt zwei Eingänge: einen für Frauen und einen für Männer und beide sind mit selbsterklärenden Bildern ausgezeichnet; hier findest du dich auch ohne Sprachkenntnisse zurecht.
Go local
Ganz unvorbereitet kann man in den marokkanischen Hammam – auch Hammam Beldi genannt – dennoch nicht. Du brauchst ein paar Dinge und ein bisschen Überwindung. Was ich versprechen kann, ist, dass auch du dem Motto „einmal Hammam, immer Hammam“ erliegen wirst. Denn so eine schöne Babyhaut und so eine tiefe Entspannung habe ich sonst bisher nirgendwo erfahren. Aber für die Schönheit muss man bekanntlich ein bisschen leiden…
Plane mindestens 1,5 Stunden für diese Erfahrung ein. Oder du gehörst von Beginn an zu jenen, die gern drei Stunden bleiben. Der Eingang in den Hammam Beldi kostet zwischen 8 und 20 Dirham. Nun zur Vorbereitung: Hast du alles, was du brauchst?
1. Ein paar Utensilien
Ein Handtuch, einen grossen Wassereimer und eine Plastik-Schöpfkelle (findet man auch im Hammam), eine Badematte (Djilda) zum Draufsitzen, Savon noir (Oliven-Seifenpaste), Badelatschen, einen kratzigen Rubbelhandschuh (Kess), Rhassoul, Shampoo und Duschgel, Arganöl, einen Kamm und saubere Unterhosen.
2. Etwas Mut
Du kommst in den Umkleidebereich. Ziehe bis auf die Unterhosen alle Kleider aus. Vergiss alle deine Komplexe und Schamgefühle. Es gibt keinen Grund prüde zu sein: Hier treffen sich alle Generationen und niemand wird zweimal hinschauen. Schuhe und Kleider verstaust du im mitgebrachten Sack und gibst diesem der Hammam-Wächterin, die ihn in einem Kästchen verstaut. Im Umkleidebereich kannst du auch eine Hammam-Mitarbeiterin (Kessela genannt) fragen, ob sie sich um deine Gommage kümmert. Die Gommage beschreibt den Prozess, bei dem deine Haut mit dem mitgebrachten Rubbel-Handschuh gründlich von abgestorbenen Hautschuppen befreit wird.
3. Etwas aushalten
Nun wird es ernst. Alle Hammam Beldi haben drei Räume. Zuerst geht man durch den kühlen und warmen Raum bis in den heissen Raum. Dort suchst du dir ein Plätzchen, holst warmes Wasser und giesst es auf die Wand und den Boden, um sie zu reinigen. Jetzt kannst du dich auf deine Badematte setzen, schwitzen, Wasser über dich giessen und mit der Savonnage beginnen. Reibe deinen ganzen Körper mit der schwarzen Olivenpaste ein und lass die Seife einwirken. Aufgepasst: Savon noir brennt extrem in den Augen!
Danach kannst du dich abspülen und das Leiden kann beginnen. Aber nur das erste Mal, versprochen. Wenn es zu heiss wird, ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um in den mittleren Raum zu wechseln. Die Kessela kümmert sich um die Gommage, nimmt den kratzigen Handschuh, den Kess, und beginnt mit dem kräftigen Schrubben. Sie wird deinen ganzen Körper schrubben, Hals, Rücken, Beine, Po und den Unterbauch. Dieses Peeling hat wenig mit dem als sanft bekannten Ritual zu tun, das gängige Wellnessexperten gerne anbieten. Du wirst hier regelrecht von deiner obersten Hautschicht befreit. Genau. Die Röllchen, die sich von deinem Körper lösen, sind nicht etwa Dreck, sondern Hautschüppchen. Spaghetti nennen es die Hammam-Frauen. Und gerade beim ersten Mal tut es höllisch weh…
4. Die Erlösung
Nach der Gommage spült man die Spaghetti sorgfältig – immer mit der Schöpfkelle – vom Körper und ruht sich etwas aus. Jetzt kann man sich richtig entspannen und sich Zeit nehmen, um Haare und Körper mit normalem Haar- und Duschgel zu waschen.
5. Das Finishing
Nach dem Verlassen des Nassbereichs trocknest du dich ab, holst dir den Kleiderbeutel, trägst Arganöl auf die Haut auf und ziehst dich an. Vergiss nicht, die Kessela angemessen zu bezahlen. Rund 50 Dirham sind ein guter Richtwert.
6. Etwas Flüssiges
Nach einem Hammambesuch ist man so richtig durstig. Meistens befindet sich in der Nähe des Badehauses eine Mhlaba, eine Art Molkerei, wo du Wasser oder L’ben kaufen kannst. Du bist nun so entspannt, dass du am besten ein Nickerchen einplanst.